818.11 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 1941 |
Nr. 3 |
ausgegeben am 28. Januar 1941 |
Gesetz
vom 24. Januar 1941
betreffend die Bekämpfung der Tuberkulose
Dem nachstehenden vom Landtage in seiner Sitzung vom 19. Dezember 1940 gefassten Beschlusse erteile Ich Meine Zustimmung:
Das Land trifft zur Bekämpfung der Tuberkulose die in den nachstehenden Artikeln aufgezählten Massnahmen.
Art. 1
1) Die Ärzte sind verpflichtet, jeden Fall von Tuberkulose-Erkrankung anzumelden. Die Anmeldung hat schriftlich an die Regierung zu erfolgen.
2) Wer die Anmeldung entgegennimmt oder mit der Ausführung der erforderlichen Massnahmen betraut wird, untersteht der Schweigepflicht.
Art. 2
1) Das Land trägt die Kosten der bakteriologischen Untersuchungen.
2) Desgleichen trägt das Land die Kosten der ärztlich anzuordnenden Desinfektion von Räumen, die von Tuberkulose-Kranken regelmässig benützt werden.
Art. 3
1) Das Land errichtet einen ärztlichen Schuldienst zur Bekämpfung der Tuberkulose.
2) Diesem Dienste sind alle Kinder und Zöglinge in Schulen, Erziehungs-, Pflege-, Bewahrungs- und ähnlichen Anstalten zwangsweise und unentgeltlich unterstellt.
3) Kinder und Zöglinge, von denen bekannt ist, dass sie einer Tuberkulose-Infektion von Seiten ihrer Umgebung ausgesetzt waren, unterstehen der verschärften schulärztlichen Tuberkulose-Kontrolle.
4) Kinder und Zöglinge, die nicht nur tuberkulosekrank sind, sondern zugleich eine Ansteckungsgefahr bilden könnten, sind sofort aus der Schule oder Anstalt zu entfernen.
5) Der schulärztliche Dienst zur Bekämpfung der Tuberkulose untersteht der Aufsicht des Landesphysikus und wird von den im Lande praktizierenden Ärzten ausgeübt.
6) Die Zuweisung der einzelnen Ärzte zum Schuldienst in den Gemeinden erfolgt durch die Regierung.
7) Das Land gewährleistet dem Arzte pro Kind und Untersuchung einen gewissen Mindestbetrag, der auch für jedes gesund befundene Kind zu entrichten ist.
8) Die Lehrpersonen haben den Ärzten bei den Untersuchungen möglichst an die Hand zu gehen.
Art. 4
1) Das Lehr- und Pflegepersonal der Schulen und obgenannten Anstalten, ferner die Organe der Säuglingsfürsorge, sowie die Hebammen und Krankenschwestern sind auf Landeskosten der ärztlichen Beobachtung unterstellt. Sie haben sich vor Antritt ihrer Tätigkeit und späterhin einmal im Jahre von einem inländischen Arzte genau auf Tuberkulose untersuchen zu lassen. Über das Ergebnis der Untersuchung ist der Regierung ein Zeugnis beizubringen.
2) Wenn es sich herausstellt, dass eine solche Person eine Ansteckungsgefahr bilden könnte, ist sie sofort aus ihrem Dienste zu entfernen.
Art. 5
1) Nichttuberkulöse Kinder dürfen nicht in Haushaltungen untergebracht werden, in denen eine Ansteckungsgefahr besteht.
2) Tuberkulosekranke Kinder dürfen nicht in Haushaltungen untergebracht werden, in denen sich nichttuberkulöse Kinder befinden.
Art. 6
1) Offen Tuberkulöse dürfen in Ammenanstalten oder Bürgerheimen nur dann untergebracht werden, wenn die Gewähr besteht, dass die übrigen Hausgenossen nicht der Ansteckungsgefahr ausgesetzt werden.
2) Offen Tuberkulöse, die durch ihre Berufstätigkeit eine besondere Gefährdung ihrer Umgebung darstellen, dürfen weder im Lebensmittel-, Gastwirtschafts- und Friseurgewerbe noch als Dienstboten in Haushaltungen mit Kindern usw. angestellt sein.
Art. 7
Die Regierung kann das Bewohnen und Benützen von Räumen, die von der Kommission (Art. 9) als unhygienisch erklärt worden sind, verbieten.
Art. 8
1) Das Land übernimmt in Vereinbarung mit der Zuständigkeitsgemeinde nach Massgabe der vorhandenen Mittel die ungedeckten Kosten der Unterbringung in Heilstätten bei Bedürftigkeit des Kranken.
2) Das Land gewährt jenen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden, die den an Tuberkulose erkrankten Mitgliedern bestimmte Mindestleistungen für den Heilstätten-Aufenthalt gewähren, bestimmte Beiträge.
Art. 9
1) Die Regierung bedient sich bei der Durchführung dieses Gesetzes, soferne es nicht selber etwas anderes bestimmt, der vom Lande zu errichtenden Kommission für Tuberkulosebekämpfung.
2) Ihr gehören an: ein Regierungsmitglied, der Landesphysikus und die übrigen im Lande praktizierenden Ärzte; ferner weitere, von der Regierung zu ernennende Mitglieder, wobei prominente Vertreter der privaten karitativen Tätigkeit sowie je eine Vertretung des Lehrkörpers und der Krankenkassen in erster Linie berücksichtigt werden sollen; es können auch Frauen und niedergelassene Ausländer zu Mitgliedern emannt werden. Die Bestellung der Kommission hat mit der Massgabe zu erfolgen, dass den Ärzten als Fachgruppe die Stimmenmehrheit zukommt. Den Vorsitz führt das Regierungsmitglied. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende.
3) Die Sitzungen sind von der Regierung, und zwar mindestens alle drei Monate einzuberufen. - Vorbehalten bleiben die gesetzlich festgelegten Rechte des Landesphysikus.
Art. 10
1) Die Kommission (Art. 9) hat das Recht und die Pflicht, nach freiem Ermessen alle Massnahmen vorzukehren, welche sie zur Bekämpfung der Tuberkulose für erforderlich erachtet.
2) Sie hat u. a. die Anmeldungen und Berichte über Tuberkulose-Erkrankungsfälle entgegenzunehmen; Vorkehrungen zu treffen, dass alle nötigen Untersuchungen möglichst rechtzeitig vorgenommen werden; die Versorgung von Gefährdeten in Erholungsaufenthalten und von Erkrankten in Heilstätten durchzuführen und zu organisieren; die Mitarbeit der Gesundheitskommissionen und der privaten Vereins- und Fürsorgetätigkeit auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung zu vermitteln und, im Einvernehmen mit dem Landesphysikus, zu beaufsichtigen; in der Öffentlichkeit für angemessene Belehrung über Wesen, Gefahren und Verhütung der Tuberkulose zu sorgen; und anderes dergleichen.
2) Zur Erledigung und Ausführung laufender Geschäfte und Arbeiten hat die Kommission womöglich besondere Fürsorgeorgane, sei es ehrenamtlich tätige oder, soferne das Land die Mittel beizustellen in der Lage ist, besoldete, zu bestellen und deren Tätigkeit, im Einvernehmen mit dem Landesphysikus, zu beaufsichtigen.
Art. 11
Die Mitglieder der Kommission versehen ihren Dienst ehrenamtlich.
Art. 12
Die Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben beschafft sich die Kommission für Tuberkulosebekämpfung:
a) durch Staats- und Gemeindebeiträge (Art. 8)
b) durch Leistungen der Krankenkassen (Art. 8)
c) durch öffentliche und private Zuwendungen
d) durch andere jetzt noch nicht vorhergesehene Einnahmen.
Art. 13
1) Die Kommission (Art. 9) hat das Recht, einen Tuberkulosekranken oder Verdächtigen zur Untersuchung durch einen inländischen Arzt vorzuladen und darüber ein Zeugnis einzufordern. Wird dieser Vorladung nicht Folge geleistet, oder das Zeugnis nicht beigebracht, so hat die Regierung, auf Antrag der Kommission, die Untersuchung zwangsweise durchzusetzen.
2) Den Weisungen der Kommission hat auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung jedermann Folge zu leisten. Im Weigerungsfalle hat die Regierung, auf Antrag der Kommission die Befolgung der betreffenden Weisung zwangsweise durchzusetzen.
Art. 14
1) Gegen jeden Beschluss der Kommission (Art. 9) ist, innerhalb einer Frist von 14 Tagen, das Rechtsmittel der Beschwerde an die Regierung zulässig, die endgültig entscheidet.
2) Dieses Rechtsmittel steht einerseits dem durch den Beschluss Betroffenen, andererseits aber auf jeden Fall auch dem Landesphysikus zu (Art. 9 letzter Absatz).
Art. 15
1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig den gesundheitspolizeilichen Vorschriften dieses Gesetzes oder den Ausführungsbestimmungen desselben zuwiderhandelt, wird mit Bussen bis zu 1 000 Franken bestraft.
2) Wer durch unwahre Angaben oder durch Unterdrückung von Tatsachen für sich oder andere die Ausrichtung einer Unterstützung oder die Anordnung einer unentgeltlichen Fürsorgemassnahme erwirkt oder zu erwirken versucht, wird, sofern nicht eine schärfere Strafbestimmung Anwendung findet, mit Busse bis zu 2 000 Franken bestraft.
3) Die Bestimmungen des Strafgesetzes finden bei der Ausführung dieses Gesetzes Anwendung, soferne in diesem Gesetze selber nichts anderes bestimmt ist.
4) Strafbehörde für die Übertretungen dieses Gesetzes ist das Landgericht.
Art. 16
Die Regierung wird hiermit beauftragt, dieses Gesetz durchzuführen und, im Einvernehmen mit der Kommission (Art. 9), die dazu nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.
Art. 17
Dieses Gesetz wird als nicht dringlich erklärt und tritt mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft.
Vaduz, am 24. Januar 1941
gez. Franz Josef
gez. Dr. Hoop
Fürstlicher Regierungschef