0.951.910.11
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1981 Nr. 52 ausgegeben am 18. November 1981
Währungsvertrag
zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Abgeschlossen in Bern am 19. Juni 1980
Zustimmung des Landtags: 9. Juli 1981
Inkrafttreten: 25. November 1981
Seine Durchlaucht der Regierende Fürst von und zu Liechtenstein
und
der Schweizerische Bundesrat,
in Würdigung des Umstandes, dass das Fürstentum Liechtenstein den Schweizerfranken als seine Währung gesetzlich eingeführt hat, vom Wunsche getragen, einen einheitlichen Schutz des Schweizerfrankens in beiden Staaten zu gewährleisten und die währungspolitische Zusammenarbeit enger zu gestalten, haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
Seine Durchlaucht der Regierende Fürst von und zu Liechtenstein
Herrn Regierungschef-Stellvertreter Dr. Walter Kieber,
Der Schweizerische Bundesrat
Herrn Botschafter Dr. Emanuel Diez,
Leiter der Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten,
die nach gegenseitiger Bekanntgabe ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart haben:
Art. 1
In Liechtenstein geltende Vorschriften
1) Im Fürstentum Liechtenstein haben alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Vertrages rechtswirksamen und während dessen Dauer in Rechtswirksamkeit tretenden schweizerischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Geltung, die die Geld-, Kredit- und Währungspolitik im Sinne des Nationalbankgesetzes oder den Schutz der schweizerischen Münzen und Banknoten betreffen oder soweit sonst die Erfüllung dieses Vertrages ihre Anwendung im Fürstentum Liechtenstein bedingt.
2) Ergeben sich für das Fürstentum Liechtenstein aus der Anwendung der gemäss Abs. 1 geltenden Vorschriften wegen der Verschiedenheit der Verhältnisse unzumutbare Härten, so werden ihnen die mit dem Vollzug dieses Vertrages betrauten liechtensteinischen und schweizerischen Behörden durch besondere Absprachen Rechnung tragen.
3) Die vom Inkrafttreten dieses Vertrages an im Fürstentum Liechtenstein geltenden schweizerischen Rechtsvorschriften sind in der Anlage zu diesem Vertrag aufgeführt. Ergänzungen und Änderungen der Anlage werden vom Schweizerischen Bundesrat der Regierung des Fürstentums Liechtenstein mitgeteilt, die ihrerseits für die Veröffentlichung sorgt. Erhebt die Regierung des Fürstentums Liechtenstein gegen die Aufnahme einer schweizerischen Rechtsvorschrift in die Anlage Einspruch, so sind die Art. 13 und 14 anzuwenden.
4) Die Nationalbank meldet Änderungen und Ergänzungen der Verwaltungsvorschriften der Regierung des Fürstentums Liechtenstein.
Art. 2
Liechtensteinische Währungshoheit
1) Die liechtensteinische Währungshoheit bleibt unberührt.
2) Das Fürstentum Liechtenstein gibt für die Dauer dieses Vertrages keine eigenen Banknoten aus. Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein kann jedoch im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement Münzen in Schweizerfrankenwährung ausgeben.
Art. 3
Befugnisse der Nationalbank
1) Die Nationalbank übt unter Vorbehalt der Abs. 3 und 4 aufgrund der gemäss Art. 1 geltenden Vorschriften gegenüber Banken sowie anderen Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein die gleichen Befugnisse aus wie in der Schweiz.
2) Die Nationalbank gibt der Regierung des Fürstentums Liechtenstein von allen Ermittlungshandlungen, Empfehlungen und Verfügungen gegenüber Banken sowie anderen Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein unverzüglich Kenntnis.
3) Zur Feststellung eines Sachverhalts an Ort und Stelle bei Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein, die den Vorschriften nach Art. 1 unterstehen, betraut die Nationalbank die bankengesetzlichen Revisionsstellen oder andere liechtensteinische oder schweizerische Revisionsgesellschaften mit besondern Revisionsaufträgen. Wenn besondere zeitliche oder sachliche Umstände es rechtfertigen, kann die Nationalbank die Untersuchung selbst vornehmen, wobei sie einen von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein beauftragten Vertreter beizuziehen hat. Vom Ergebnis der Untersuchungen an Ort und Stelle gibt die Nationalbank der Regierung des Fürstentums Liechtenstein in jedem Falle Kenntnis.
4) Sollen in einem Verfahren gegen Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein, die den Vorschriften nach Art. 1 unterstehen, Ermittlungshandlungen bei dritten Personen oder Gesellschaften an Ort und Stelle im Fürstentum Liechtenstein vorgenommen werden, wie Befragungen von Auskunftspersonen oder Einvernahmen von Zeugen, so hat die Nationalbank bei der Regierung des Fürstentums Liechtenstein ein entsprechendes Gesuch zu stellen. Die Regierung führt die Beweisaufnahme nach liechtensteinischem Recht durch, wozu sie einen Vertreter der Nationalbank einlädt.
5) Gegen Verfügungen der Nationalbank steht den Banken sowie anderen Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein, soweit sie betroffen sind, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht1 offen.
6) Die Verfahrens- und Untersuchungskosten gehen, soweit sie nicht den Banken oder anderen Personen und Gesellschaften auferlegt werden können, zulasten der Nationalbank.
Art. 4
Geheimniswahrung
Die Nationalbank hat über Meldungen, Unterlagen und Auskünfte, die sie von Banken oder anderen Personen und Gesellschaften im Fürstentum Liechtenstein erhalten hat, sowie über Feststellungen, die bei Überprüfungen an Ort und Stelle gemacht werden, das Geheimnis zu wahren.
Art. 5
Vollstreckung von Verwaltungsentscheiden und Amtshilfe
1) Die zuständigen Behörden des Fürstentums Liechtenstein vollstrecken auf Antrag der Nationalbank rechtskräftige Verfügungen der Nationalbank und Urteile des Bundesgerichts2, die aufgrund der gemäss Art. 1 geltenden Vorschriften im Verwaltungsverfahren ergangen sind.
2) Sollen in einem Verwaltungsverfahren der Nationalbank gegen Personen und Gesellschaften in der Schweiz, die den Vorschriften nach Art. 1 unterstehen, Ermittlungshandlungen bei dritten Personen oder Gesellschaften an Ort und Stelle im Fürstentum Liechtenstein vorgenommen werden, so leistet die Regierung des Fürstentums Liechtenstein Amtshilfe. Die Bestimmungen von Art. 3 Abs. 4 sind sinngemäss anwendbar.
3) Der von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein beauftragte Vertreter, den die Nationalbank nach Art. 3 Abs. 3 beizuziehen hat, unterstützt diese bei der Feststellung des Sachverhalts, indem er nötigenfalls die Zwangsmittel des liechtensteinischen Rechts einsetzt.
Art. 6
Verfolgung und Beurteilung strafbarer Handlungen
1) Widerhandlungen gegen die gemäss Art. 1 geltenden Vorschriften werden von der liechtensteinischen Staatsanwaltschaft verfolgt und in erster Instanz vom Fürstlichen Landgericht und in zweiter Instanz vom Fürstlichen Obergericht beurteilt. Die Zuständigkeit des Bundesstrafgerichtes bleibt vorbehalten, soweit sie nach den gemäss Art. 1 im Fürstentum Liechtenstein geltenden Vorschriften gegeben ist.
2) Auf Begehren der Nationalbank oder bei Übertragung der Gerichtsbarkeit leitet die liechtensteinische Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein.
3) Urteile und Einstellungsbeschlüsse werden der Nationalbank und der Bundesanwaltschaft in vollständiger Ausfertigung unentgeltlich zugestellt. Dem Bundesanwalt stehen die nach liechtensteinischem Recht zulässigen Rechtsmittel zu.
4) Der Bundesanwalt hat sein Rechtsmittel innert 10 Tagen nach Zustellung des Urteils oder Einstellungsbeschlusses bei der nach liechtensteinischem Recht für die Entgegennahme zuständigen Behörde schriftlich einzulegen. Im mündlichen Verfahren kann er die Vertretung besonderen Bevollmächtigten übertragen.
5) Gegen Entscheide des Fürstlichen Obergerichts ist die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts3 zulässig. Die Nichtigkeitsbeschwerde4 steht auch dem Bundesanwalt zu.
Art. 7
Rechtshilfe in Strafsachen
Die zur Strafverfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen gegen die gemäss Art. 1 geltenden Vorschriften zuständigen liechtensteinischen und schweizerischen Behörden sind gegenseitig zur Rechtshilfe nach den Vorschriften, wie sie zwischen den Behörden innerhalb der Schweiz gelten, berechtigt und verpflichtet; vorbehalten bleibt die Gesetzgebung der Vertragsstaaten über die Auslieferung.
Art. 8
Vollstreckung von Strafurteilen und Begnadigung
1) Für die Vollstreckung rechtskräftiger Strafurteile über die in einem der beiden Vertragsstaaten begangenen Widerhandlungen gegen die gemäss Art. 1 geltenden Vorschriften sind auch die Behörden des andern Staates zuständig, wenn die Vollstreckung in diesem Staate tatsächlich durchgeführt werden kann.
2) Das Recht der Begnadigung steht dem Urteilsstaat zu.
Art. 9
Grundsatz der Gleichbehandlung
1) Banken sowie andere Personen und Gesellschaften mit Wohnsitz oder Sitz im Fürstentum Liechtenstein geniessen im Hinblick auf die in Art. 1 genannte schweizerische Gesetzgebung die gleiche Rechtsstellung wie Banken, Personen und Gesellschaften mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz.
2) Juristische Personen und Gesellschaften mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein, die von Personen oder Gesellschaften ausserhalb des Fürstentums Liechtenstein oder der Schweiz beherrscht werden und in keinem der beiden Staaten eine Betriebsstätte unterhalten, werden juristischen Personen und Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz gleichgestellt, auf die die genannten Bedingungen zutreffen.
3) Wechsel, Checks und Schuldverschreibungen auf Schuldner im Fürstentum Liechtenstein sind von der Nationalbank Wechseln, Checks und Schuldverschreibungen auf Schuldner in der Schweiz gleichzustellen. Dasselbe gilt für die Emission öffentlicher Anleihen durch liechtensteinische Schuldner.
4) Schatzanweisungen und Schuldverschreibungen des Fürstentums Liechtenstein sind den Schatzanweisungen und Schuldverschreibungen des Bundes gleichgestellt.
Art. 10
Meldungen der Banken an die Nationalbank
1) Die Banken im Fürstentum Liechtenstein liefern der Nationalbank die für die Führung der Geld-, Kredit- und Währungspolitik sowie einer Bankenstatistik erforderlichen Angaben in gleicher Weise wie die schweizerischen Banken.
2) In den veröffentlichten Statistiken werden die Angaben der liechtensteinischen Banken nicht gesondert ausgewiesen.
Art. 11
Verkehr zwischen den Behörden
Der Verkehr zwischen den mit der Durchführung dieses Vertrages betrauten liechtensteinischen und schweizerischen Behörden erfolgt direkt und ohne Inanspruchnahme des diplomatischen Weges.
Art. 12
Information und Konsultation
Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein und das Direktorium der Nationalbank informieren und konsultieren sich gegenseitig bei Bedarf .
Art. 13
Gemischte Kommission
1) Die beiden Vertragsstaaten ernennen eine Gemischte Kommission zur Behandlung von Fragen, die mit der Auslegung oder der Anwendung des Vertrages zusammenhängen.
2) Die Kommission besteht aus drei liechtensteinischen und drei schweizerischen Mitgliedern, die sich von Sachverständigen begleiten lassen können. Die Regierung jedes der beiden Vertragsstaaten bestellt ein Mitglied ihrer Delegation zu deren Vorsitzenden. Jeder Delegationsvorsitzende kann die Kommission durch Ersuchen an den Vorsitzenden der anderen Delegation zu einer Sitzung einberufen, die auf seinen Wunsch spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang dieses Ersuchens stattfinden muss.
Art. 14
Schiedsgericht
1) Kann eine Meinungsverschiedenheit über die Auslegung oder die Anwendung dieses Vertrages nicht gemäss Art. 13 beigelegt werden, so ist sie auf Verlangen eines der Vertragsstaaten einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
2) Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet, indem jeder der Vertragsstaaten ein Mitglied bestellt und beide Mitglieder sich auf den Angehörigen eines dritten Staates als Obmann einigen, der von den Regierungen der beiden Vertragsstaaten zu bestellen ist. Die Mitglieder sind innerhalb von zwei Monaten, der Obmann innerhalb von drei Monaten zu bestellen, nachdem der eine Vertragsstaat dem anderen mitgeteilt hat, dass er die Meinungsverschiedenheit einem Schiedsgericht unterbreiten will.
3) Werden die in Abs. 2 genannten Fristen nicht eingehalten, so kann in Ermangelung einer anderen Vereinbarung jeder der Vertragsstaaten den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt der Präsident die liechtensteinische oder die schweizerische Staatsangehörigkeit oder ist er aus einem anderen Grund verhindert, so soll der Vizepräsident die Ernennung vornehmen. Besitzt auch der Vizepräsident die liechtensteinische oder die schweizerische Staatsangehörigkeit oder ist auch er verhindert, soll das im Rang nächstfolgende Mitglied des Gerichtshofs, das weder die liechtensteinische noch die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt, die Ernennung vornehmen.
4) Das Schiedsgericht entscheidet aufgrund der zwischen den beiden Vertragsstaaten bestehenden Verträge und des allgemeinen Völkerrechts mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind bindend. Jeder der Vertragsstaaten trägt die Kosten des von ihm bestellten Schiedsgerichts sowie seiner Vertretung in dem Verfahren vor dem Schiedsgericht; die Kosten des Obmanns sowie die sonstigen Kosten werden von den beiden Vertragsstaaten zu gleichen Teilen getragen. Im übrigen regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selbst.
5) Die Gerichte der beiden Vertragsstaaten werden dem Schiedsgericht auf sein Ersuchen Rechtshilfe hinsichtlich der Vorladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen leisten.
Art. 15
Kündigung und Rücktritt
1) Jedem Vertragsstaat steht das Recht zu, diesen Vertrag unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres schriftlich zu kündigen.
2) Das Fürstentum Liechtenstein hat das Recht, innerhalb eines Monats nach Erlass neuer schweizerischer Vorschriften, die gemäss Art. 1 anwendbar sind, durch Abgabe einer Erklärung auf diplomatischem Weg von diesem Vertrag zurückzutreten. Eine solche Erklärung hat keine Rückwirkung.
Art. 16
Ratifikation und Inkrafttreten
1) Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als möglich in Bern ausgetauscht werden.
2) Dieser Vertrag tritt am dreissigsten Tag nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
3) Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages werden alle entgegenstehenden Vereinbarungen zwischen den beiden Vertragsstaaten aufgehoben, insbesondere der Notenwechsel vom 15. Mai/19. Juli 1973 betreffend Massnahmen auf dem Gebiet des Geld- und Kapitalmarktes und des Kreditwesens.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsstaaten diesen Vertrag unterzeichnet.
Geschehen in Bern am 19. Juni 1980 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.
Für das
Fürstentum Liechtenstein:
Dr. Walter Kieber
Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:
Dr. Emanuel Diez
Anlage (Art. 1 Abs. 3)5
Liste der schweizerischen Rechtsvorschriften, die gemäss Art. 1 des Vertrages im Fürstentum Liechtenstein Geltung haben

1   Heute: die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

2   Heute: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bundesgerichts.

3   Heute: die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.

4   Heute: die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.

5   Anlage ersetzt durch LGBl. 2023 Nr. 396, LR 170.551.95.