412.014.072 |
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt |
Jahrgang 2010 |
Nr. 326 |
ausgegeben am 4. November 2010 |
Verordnung
vom 26. Oktober 2010
über die berufliche Grundbildung Zeichnerin/Zeichner mit Fähigkeitszeugnis (FZ) im Berufsfeld Raum- und Bauplanung
1
Aufgrund von Art. 26 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) vom 13. März 2008,
LGBl. 2008 Nr. 103, verordnet die Regierung:
I. Gegenstand, Fachrichtungen und Dauer
Art. 1
Berufsbild und Fachrichtungen
1) Zeichnerinnen/Zeichner im Berufsfeld Raum- und Bauplanung beherrschen namentlich folgende Tätigkeiten und zeichnen sich durch folgende Haltungen aus:
a) Als Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter in Unternehmen der Architektur-, Ingenieurbau-, Innenarchitektur-, Landschaftsarchitektur- und Raumplanungsbranche entwickeln, bearbeiten und gestalten sie Planunterlagen. Sie sind geübt in der Bedienung von computergestützten Planherstellungsgeräten (CAD) und verfügen über die erforderlichen Fähigkeiten im technischen Skizzieren sowie im Freihandzeichnen.
b) Sie sind in der Lage, Teilprobleme im Planungsprozess selbständig zu bearbeiten und ihre Lösungen zu kommunizieren und zu präsentieren.
c) Sie sind fähig, Probleme und Aufgaben ganzheitlich und handlungsorientiert zu lösen sowie Verantwortung angemessen zu übernehmen.
2) Innerhalb des Berufs der Zeichnerinnen/Zeichner im Berufsfeld Raum- und Bauplanung gibt es folgende Fachrichtungen:
a) Architektur;
b) Ingenieurbau;
c) Innenarchitektur;
d) Landschaftsarchitektur;
e) Raumplanung.
3) Die Fachrichtung wird vor Beginn der beruflichen Grundbildung im Lehrvertrag festgehalten.
Art. 2
Dauer und Beginn
1) Die berufliche Grundbildung dauert vier Jahre.
2) Der Beginn der beruflichen Grundbildung richtet sich nach dem Schuljahr der zuständigen Berufsfachschule.
II. Ziele und Anforderungen
Art. 3
Handlungskompetenzen
1) Die Ziele und Anforderungen der beruflichen Grundbildung werden in Form von Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 beschrieben.
2) Sie gelten für alle Lernorte.
Art. 4
Fachkompetenz
Die Fachkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen;
b) Planung;
c) Visualisierung;
d) Projektarbeit.
Art. 5
Methodenkompetenz
Die Methodenkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) Arbeitstechniken;
b) Problemlösemethoden;
c) prozessorientiertes, vernetztes Denken und Handeln;
d) Lerntechniken;
e) qualitätsorientiertes Denken und Handeln;
f) Informations- und Kommunikationstechnologien;
g) Präsentations- und Dokumentationstechniken;
h) ökologisches Verhalten.
Art. 6
Sozial- und Selbstkompetenz
Die Sozial- und Selbstkompetenz umfasst Kenntnisse und Fähigkeiten in folgenden Bereichen:
a) eigenverantwortliches Handeln;
b) lebenslanges Lernen;
c) Kommunikationsfähigkeit;
d) Konfliktfähigkeit;
e) Teamfähigkeit;
f) Belastbarkeit.
III. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz
Art. 7
2
1) Die Anbieter der Bildung geben den Lernenden zu Beginn und während der Bildung Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz, insbesondere zur Gefahrenkommunikation (Gefahrensymbole, Piktogramme, Gebotszeichen) in diesen drei Bereichen, ab und erklären sie ihnen.
2) Diese Vorschriften und Empfehlungen werden an allen Lernorten vermittelt und in den Qualifikationsverfahren berücksichtigt.
3) Den Lernenden wird an allen Lernorten das Wissen über nachhaltige Entwicklung, insbesondere über den Ausgleich zwischen gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Interessen, vermittelt.
4) Gemäss Art. 12 ArGV V können die Lernenden entsprechend ihrem Ausbildungsstand für die im Anhang zum Bildungsplan aufgeführten Arbeiten herangezogen werden.
5) Voraussetzung für einen Einsatz nach Abs. 4 ist, dass die Lernenden entsprechend den erhöhten Gefährdungen ausgebildet, angeleitet und überwacht werden; diese besonderen Vorkehrungen werden im Anhang zum Bildungsplan als begleitende Massnahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes festgelegt.
IV. Anteile der Lernorte und Unterrichtssprache
Art. 8
Anteile der Lernorte
1) Die Bildung in beruflicher Praxis erfolgt über die ganze Dauer der beruflichen Grundbildung im Durchschnitt an dreieinhalb Tagen pro Woche.
2) Die schulische Bildung im obligatorischen Unterricht erfolgt in 1 800 Lektionen. Davon entfallen auf den Sportunterricht 200 Lektionen.
3) Die überbetrieblichen Kurse umfassen insgesamt mindestens 10 und höchstens 20 Tage zu je acht Stunden. Die Aufteilung auf die Fachrichtungen ist im Bildungsplan festgelegt. Im letzten Semester der beruflichen Grundbildung finden keine überbetrieblichen Kurse mehr statt.
4) Lernende der Fachrichtung Landschaftsarchitektur absolvieren ein Praktikum von mindestens drei und höchstens fünf Monaten. Sie halten ihre Erfahrungen in der Lerndokumentation fest. Die im Praktikumsbetrieb für das Praktikum verantwortliche Person verfasst einen Praktikumsbericht.
Art. 9
Unterrichtssprache
1) Unterrichtssprache ist in der Regel die Landessprache.
2) Zweisprachiger Unterricht in der Landessprache und in einer Fremdsprache ist empfohlen.
3) Die Regierung kann andere Unterrichtssprachen zulassen.
V. Bildungsplan und Allgemeinbildung
Art. 10
Bildungsplan
1) Der von den verantwortlichen Organisationen der Arbeitswelt erarbeitete und vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) genehmigte Bildungsplan gilt in Liechtenstein als anerkannt.
2) Der Bildungsplan führt die Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 wie folgt näher aus:
a) Er begründet sie in ihrer Wichtigkeit für die berufliche Grundbildung.
b) Er bestimmt, welches Verhalten in bestimmten Handlungssituationen am Arbeitsplatz erwartet wird.
c) Er differenziert sie in konkrete Leistungsziele aus.
d) Er bezieht sie konsistent auf die Qualifikationsverfahren und beschreibt deren System.
3) Der Bildungsplan legt überdies fest:
a) die curriculare Gliederung der beruflichen Grundbildung;
b) die Aufteilung der überbetrieblichen Kurse über die Dauer der Grundbildung und ihre Organisation;
c) die Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz.
4) Dem Bildungsplan angefügt ist die Liste der Unterlagen zur Umsetzung der beruflichen Grundbildung mit Titel, Datum und Bezugsquelle.
Art. 11
Allgemeinbildung
Für die Allgemeinbildung gilt die Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
VI. Anforderungen an die Anbieter der betrieblich organisierten Grundbildung
Art. 12
Fachliche Mindestanforderungen an Berufsbildnerinnen/Berufsbildner
Die fachlichen Mindestanforderungen an eine Berufsbildnerin/einen Berufsbildner erfüllt, wer über eine der folgenden Qualifikationen verfügt:
a) Zeichnerinnen/Zeichner mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
b) gelernte Bauzeichnerinnen/gelernte Bauzeichner, gelernte Hochbauzeichnerinnen/gelernte Hochbauzeichner, gelernte Innenausbauzeichnerinnen/gelernte Innenausbauzeichner, gelernte Landschaftsbauzeichnerinnen/gelernte Landschaftsbauzeichner, gelernte Raumplanungszeichnerinnen/gelernte Raumplanungszeichner mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
c) Fähigkeitszeugnis eines verwandten Berufs mit den notwendigen Berufskenntnissen im Bereich der Zeichnerinnen/Zeichner und mit mindestens fünf Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
d) einschlägiger Abschluss der höheren Berufsbildung;
e) einschlägiger Abschluss einer Fachhochschule mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
f) einschlägiger Abschluss einer universitären Hochschule mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet.
Art. 13
Höchstzahl der Lernenden
1) In einem Betrieb darf eine lernende Person ausgebildet werden, wenn:
a) eine entsprechend qualifizierte Berufsbildnerin/ein entsprechend qualifizierter Berufsbildner zu 100 % beschäftigt wird; oder
b) zwei entsprechend qualifizierte Berufsbildnerinnen/entsprechend qualifizierte Berufsbildner zu je mindestens 60 % beschäftigt werden.
2) Tritt eine lernende Person in das letzte Jahr der beruflichen Grundbildung ein, so kann eine weitere lernende Person ihre Bildung beginnen.
3) Mit jeder zusätzlichen Beschäftigung einer Fachkraft zu 100 % oder von zwei Fachkräften zu je mindestens 60 % darf eine weitere lernende Person im Betrieb ausgebildet werden.
4) Als Fachkraft gilt, wer über ein Fähigkeitszeugnis im Fachbereich der lernenden Person oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügt.
5) In besonderen Fällen kann das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung einem Betrieb, der seit mehreren Jahren Lernende mit überdurchschnittlichem Erfolg ausgebildet hat, die Überschreitung der Höchstzahl der Lernenden bewilligen.
VII. Lern- und Leistungsdokumentation
Art. 14
Im Betrieb
1) Die lernende Person führt eine Lerndokumentation, in der sie laufend alle wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und ihre Erfahrungen im Betrieb und in den überbetrieblichen Kursen festhält.
2) Die Berufsbildnerin/der Berufsbildner kontrolliert und unterzeichnet die Lerndokumentation einmal pro Quartal. Sie oder er bespricht sie mindestens einmal pro Semester mit der lernenden Person.
3) Sie oder er hält am Ende jedes Semesters den Bildungsstand der lernenden Person in einem Bildungsbericht fest.
Art. 15
In der schulischen Bildung und in der schulisch organisierten Grundbildung
Die Anbieter der schulischen Bildung und die Anbieter schulisch organisierter Grundbildungen dokumentieren die Leistungen der Lernenden in den unterrichteten Bereichen und stellen ihnen am Ende jedes Semesters ein Zeugnis aus.
VIII. Qualifikationsverfahren
Art. 16
Zulassung
Zu den Qualifikationsverfahren wird zugelassen, wer die berufliche Grundbildung erworben hat:
a) nach den Bestimmungen dieser Verordnung;
b) in einer dafür zugelassenen Bildungsinstitution; oder
c) ausserhalb eines geregelten Bildungsganges, soweit sie oder er:
1. die nach Art. 46 Abs. 3 BBG erforderliche Erfahrung erworben hat;
2. von dieser beruflichen Erfahrung mindestens drei Jahre im Bereich der Zeichnerin/des Zeichners erworben hat; und
3. glaubhaft macht, den Anforderungen der Abschlussprüfung (Art. 18) gewachsen zu sein.
Art. 17
Gegenstand der Qualifikationsverfahren
In den Qualifikationsverfahren ist nachzuweisen, dass die Handlungskompetenzen nach den Art. 4 bis 6 erworben worden sind.
Art. 18
Umfang und Durchführung des Qualifikationsverfahrens mit Abschlussprüfung
1) Im Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung werden die nachstehenden Qualifikationsbereiche wie folgt geprüft:
a) Praktische Arbeit, im Umfang von 40 bis 120 Stunden als individuelle praktische Arbeit (IPA) oder 12 bis 20 Stunden als vorgegebene praktische Arbeit (VPA): Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung entscheidet über die Prüfungsform. Die lernende Person muss zeigen, dass sie fähig ist, die geforderten Tätigkeiten fachlich korrekt sowie bedarfs- und situationsgerecht auszuführen. Die Lerndokumentation, die Unterlagen der überbetrieblichen Kurse sowie die zugelassene Fachliteratur dürfen als Hilfsmittel verwendet werden.
b) Berufskenntnisse, im Umfang von vier Stunden: Dieser Qualifikationsbereich wird gegen Ende der beruflichen Grundbildung geprüft. Die lernende Person wird schriftlich oder sowohl schriftlich wie mündlich befragt. Wird eine mündliche Prüfung durchgeführt, so dauert diese höchstens eine Stunde.
c) Allgemeinbildung: Dieser Qualifikationsbereich richtet sich nach der Verordnung über Mindestvorschriften für die Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung.
2) In jedem Qualifikationsbereich beurteilen mindestens zwei Prüfungsexpertinnen/-experten die Leistungen.
Art. 19
Bestehen, Notenberechnung, Notengewichtung
1) Das Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung ist bestanden, wenn:
a) der Qualifikationsbereich praktische Arbeit mit der Note 4 oder höher bewertet wird; und
b) die Gesamtnote 4 oder höher erreicht wird.
2) Die Gesamtnote ist das auf eine Dezimalstelle gerundete Mittel der gewichteten Noten der einzelnen Qualifikationsbereiche der Abschlussprüfung sowie der gewichteten Erfahrungsnote.
3) Die Erfahrungsnote ist das auf eine ganze oder halbe Note gerundete Mittel aus der Summe aller Semesterzeugnisnoten des berufskundlichen Unterrichts.
4) Für die Berechnung der Gesamtnote werden die einzelnen Noten wie folgt gewichtet:
a) praktische Arbeit: 50 %;
b) Berufskenntnisse: 20 %;
c) Allgemeinbildung: 20 %;
d) Erfahrungsnote: 10 %.
Art. 20
Wiederholungen
1) Wiederholungen von Qualifikationsverfahren sind höchstens zweimal möglich. Muss ein Qualifikationsbereich wiederholt werden, so ist er in seiner Gesamtheit zu wiederholen.
2) Wird die Abschlussprüfung ohne erneuten Besuch der Berufsfachschule wiederholt, so wird die bisherige Erfahrungsnote beibehalten. Wird der berufskundliche Unterricht während mindestens zwei Semestern wiederholt, so zählen für die Berechnung der Erfahrungsnote nur die neuen Noten.
Art. 21
Spezialfall
1) Hat eine lernende Person die Vorbildung ausserhalb der geregelten beruflichen Grundbildung erworben und die Abschlussprüfung nach dieser Verordnung absolviert, so entfällt die Erfahrungsnote.
2) Für die Berechnung der Gesamtnote werden die einzelnen Noten wie folgt gewichtet:
a) praktische Arbeit: 50 %;
b) Berufskenntnisse: 30 %;
c) Allgemeinbildung: 20 %.
Art. 22
Fähigkeitszeugnis
1) Wer ein Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erhält ein Fähigkeitszeugnis.
2) Das Fähigkeitszeugnis berechtigt, den gesetzlich geschützten Titel "Zeichnerin FZ"/"Zeichner FZ" zu führen.
3) Ist das Fähigkeitszeugnis mittels Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung erworben worden, so wird im Notenausweis aufgeführt:
a) die Gesamtnote;
b) die Noten jedes Qualifikationsbereichs der Abschlussprüfung sowie, unter dem Vorbehalt von Art. 21 Abs. 1, die Erfahrungsnote;
c) die Fachrichtung.
X. Kommission für Berufsentwicklung und Qualität
Art. 23
Die Regierung kann eine Kommission bestimmen, der die Förderung der Berufsentwicklung und die Sicherstellung der Qualität der Grundbildung für Zeichnerinnen/Zeichner im Berufsfeld Raum- und Bauplanung obliegt.
XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 24
Übergangsbestimmungen
1) Lernende, die ihre Bildung als Bauzeichnerin/Bauzeichner, Hochbauzeichnerin/Hochbauzeichner, Innenausbauzeichnerin/Innenausbauzeichner, Landschaftsbauzeichnerin/Landschaftsbauzeichner, Raumplanungszeichnerin/Raumplanungszeichner vor dem 1. Januar 2010 begonnen haben, schliessen sie nach dem bisherigen Recht ab.
2) Wer die Lehrabschlussprüfung für Bauzeichnerin/Bauzeichner, Hochbauzeichnerin/Hochbauzeichner, Innenausbauzeichnerin/Innenausbauzeichner, Landschaftsbauzeichnerin/Landschaftsbauzeichner, Raumplanungszeichnerin/Raumplanungszeichner bis zum 31. Dezember 2015 wiederholt, kann verlangen, nach bisherigem Recht beurteilt zu werden.
Art. 25
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.
Fürstliche Regierung:
gez. Dr. Klaus Tschütscher
Fürstlicher Regierungschef
1
Zeichnerin/Zeichner (64008 Fachrichtung Architektur; 64009 Fachrichtung Ingenieurbau; 64010 Fachrichtung Innenarchitektur; 64011 Fachrichtung Landschaftsarchitektur; 64012 Fachrichtung Raumplanung)
2
Art. 7 abgeändert durch
LGBl. 2018 Nr. 161.