0.312.11
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2018 Nr. 201 ausgegeben am 18. Oktober 2018
Änderungen des Römer Statuts
des Internationalen Strafgerichtshofs betreffend das Verbrechen der Aggression1
Abgeschlossen in Kampala am 11. Juni 2010
Zustimmung des Landtags: 22. März 20122
Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 8. Mai 2013
Die Überprüfungskonferenz,
unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 1 des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (Statut),
unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 2 des Statuts,
ausserdem unter Hinweis auf Ziff. 7 der Resolution F, die am 17. Juli 1998 von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs angenommen wurde,
ferner unter Hinweis auf die Resolution ICC-ASP/1/Res.1 über die Kontinuität der Arbeiten zum Verbrechen der Aggression und mit dem Ausdruck ihres Dankes an die Sonderarbeitsgruppe zum Verbrechen der Aggression für die Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression,
Kenntnis nehmend von der Resolution ICC-ASP/8/Res.6, mit der die Versammlung der Vertragsstaaten der Überprüfungskonferenz Vorschläge für eine Bestimmung über das Verbrechen der Aggression zur Behandlung übermittelte,
entschlossen, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs über das Verbrechen der Aggression möglichst bald zu aktivieren,
1. beschliesst, im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 des Statuts die in Anhang I dieser Resolution enthaltenen Änderungen des Statuts anzunehmen, die der Ratifikation oder Annahme bedürfen und die gemäss Art. 121 Abs. 5 in Kraft treten, und stellt fest, dass jeder Vertragsstaat vor der Ratifikation oder Annahme eine Erklärung nach Art. 15bis hinterlegen kann;
2. beschliesst ausserdem, die in Anhang II3 dieser Resolution enthaltenen Änderungen der "Verbrechenselemente" anzunehmen;
3. beschliesst ausserdem, die in Anhang III4 dieser Resolution enthaltenen vereinbarten Auslegungen betreffend die genannten Änderungen anzunehmen;
4. beschliesst ferner, die Änderungen in Bezug auf das Verbrechen der Aggression sieben Jahre nach Beginn der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Gerichtshof zu überprüfen;
5. fordert alle Vertragsstaaten auf, die in Anhang I enthaltenen Änderungen zu ratifizieren oder anzunehmen.
Anhang I
Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Bezug auf das Verbrechen der Aggression
1. Art. 5 Abs. 2 des Statuts wird aufgehoben.
2. Nach Art. 8 des Statuts wird folgender Wortlaut eingefügt:
Art. 8 bis
Verbrechen der Aggression
1) Im Sinne dieses Statuts bedeutet "Verbrechen der Aggression" die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 darstellt, durch eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
2) Im Sinne des Abs. 1 bedeutet "Angriffshandlung" die gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen anderen Staat. Unabhängig von dem Vorliegen einer Kriegserklärung gilt in Übereinstimmung mit der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974 jede der folgenden Handlungen als Angriffshandlung:
a) die Invasion des Hoheitsgebiets eines Staates oder der Angriff auf dieses durch die Streitkräfte eines anderen Staates oder jede, wenn auch vorübergehende, militärische Besetzung, die sich aus einer solchen Invasion oder einem solchen Angriff ergibt, oder jede gewaltsame Annexion des Hoheitsgebiets eines anderen Staates oder eines Teiles desselben;
b) die Bombardierung oder Beschiessung des Hoheitsgebiets eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates oder der Einsatz von Waffen jeder Art durch einen Staat gegen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates;
c) die Blockade der Häfen oder Küsten eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates;
d) ein Angriff der Streitkräfte eines Staates auf die Land-, See- oder Luftstreitkräfte oder die See- und Luftflotte eines anderen Staates;
e) der Einsatz von Streitkräften eines Staates, die sich mit der Zustimmung eines anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet befinden, unter Verstoss gegen die in der entsprechenden Einwilligung oder Vereinbarung vorgesehenen Bedingungen oder jede Verlängerung ihrer Anwesenheit in diesem Hoheitsgebiet über den Ablauf der Geltungsdauer der Einwilligung oder Vereinbarung hinaus;
f) das Handeln eines Staates, wodurch er erlaubt, dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen Staat dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen;
g) das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, irregulärer Kräfte oder Söldner durch einen Staat oder in seinem Namen, die mit Waffengewalt gegen einen anderen Staat Handlungen von solcher Schwere ausführen, dass sie den oben aufgeführten Handlungen gleichkommen, oder seine wesentliche Beteiligung daran.
3. Nach Art. 15 des Statuts wird folgender Wortlaut eingefügt:
Art. 15 bis
Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression (Unterbreitung durch einen Staat oder aus eigener Initiative)
1) Der Gerichtshof kann vorbehaltlich dieses Artikels seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression in Übereinstimmung mit Art. 13 Bst. a und c ausüben.
2) Der Gerichtshof kann seine Gerichtsbarkeit nur über Verbrechen der Aggression ausüben, die ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme der Änderungen durch dreissig Vertragsstaaten begangen werden.
3) Der Gerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression in Übereinstimmung mit diesem Artikel vorbehaltlich eines Beschlusses aus, der nach dem 1. Januar 2017 mit derselben Mehrheit von Vertragsstaaten zu fassen ist, wie sie für die Annahme einer Änderung des Statuts erforderlich ist.
4) Der Gerichtshof kann in Übereinstimmung mit Art. 12 seine Gerichtsbarkeit über ein Verbrechen der Aggression ausüben, das sich aus einer Angriffshandlung eines Vertragsstaats ergibt, es sei denn, dieser Vertragsstaat hat zuvor durch Hinterlegung einer Erklärung beim Kanzler bekanntgegeben, dass er diese Gerichtsbarkeit nicht anerkennt. Die Rücknahme dieser Erklärung kann jederzeit erfolgen und wird von dem Vertragsstaat innerhalb von drei Jahren geprüft.
5) Hinsichtlich eines Staates, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, übt der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression nicht aus, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde.
6) Gelangt der Ankläger zu dem Schluss, dass eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen in Bezug auf ein Verbrechen der Aggression besteht, vergewissert er sich zunächst, ob der Sicherheitsrat festgestellt hat, dass der betreffende Staat eine Angriffshandlung begangen hat. Der Ankläger benachrichtigt den Generalsekretär der Vereinten Nationen über die beim Gerichtshof anhängige Situation unter Einschluss sachdienlicher Informationen und Unterlagen.
7) Hat der Sicherheitsrat eine entsprechende Feststellung getroffen, so kann der Ankläger die Ermittlungen in Bezug auf ein Verbrechen der Aggression aufnehmen.
8) Wird innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Benachrichtigung keine entsprechende Feststellung getroffen, so kann der Ankläger die Ermittlungen in Bezug auf ein Verbrechen der Aggression aufnehmen, sofern die Vorverfahrensabteilung nach dem in Art. 15 vorgesehenen Verfahren die Genehmigung zur Einleitung der Ermittlungen in Bezug auf ein Verbrechen der Aggression erteilt und der Sicherheitsrat nicht einen anderweitigen Beschluss nach Art. 16 gefasst hat.
9) Die Feststellung einer Angriffshandlung durch ein Organ ausserhalb des Gerichtshofs berührt nicht die eigenen Erkenntnisse des Gerichtshofs nach diesem Statut.
10) Dieser Artikel lässt die Bestimmungen über die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die anderen in Art. 5 bezeichneten Verbrechen unberührt.
4. Nach Art. 15bis des Statuts wird folgender Wortlaut eingefügt:
Art. 15 ter
Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression (Unterbreitung durch den Sicherheitsrat)
1) Der Gerichtshof kann vorbehaltlich dieses Artikels seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression in Übereinstimmung mit Art. 13 Bst. b ausüben.
2) Der Gerichtshof kann seine Gerichtsbarkeit nur über Verbrechen der Aggression ausüben, die ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme der Änderungen durch dreissig Vertragsstaaten begangen werden.
3) Der Gerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression in Übereinstimmung mit diesem Artikel vorbehaltlich eines Beschlusses aus, der nach dem 1. Januar 2017 mit derselben Mehrheit von Vertragsstaaten zu fassen ist, wie sie für die Annahme einer Änderung des Statuts erforderlich ist.
4) Die Feststellung einer Angriffshandlung durch ein Organ ausserhalb des Gerichtshofs berührt nicht die eigenen Erkenntnisse des Gerichtshofs nach diesem Statut.
5) Dieser Artikel lässt die Bestimmungen über die Ausübung der Gerichtsbarkeit über die anderen in Art. 5 bezeichneten Verbrechen unberührt.
5. Nach Art. 25 Abs. 3 des Statuts wird folgender Wortlaut eingefügt:
3bis) In Bezug auf das Verbrechen der Aggression findet dieser Artikel nur auf Personen Anwendung, die tatsächlich in der Lage sind, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
6. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 des Statuts wird durch folgenden Satz ersetzt:
1) Die "Verbrechenselemente" helfen dem Gerichtshof bei der Auslegung und Anwendung der Art. 6, 7, 8 und 8bis.
7. Der einleitende Halbsatz des Art. 20 Abs. 3 des Statuts wird durch Folgendes ersetzt; der Rest des Absatzes bleibt unverändert:
3) Niemand, der wegen eines auch nach Art. 6, 7, 8 oder 8bis verbotenen Verhaltens vor ein anderes Gericht gestellt wurde, darf vom Gerichtshof für dasselbe Verhalten belangt werden, es sei denn, das Verfahren vor dem anderen Gericht:
Geltungsbereich am 18. Oktober 20185
Vertragsstaaten
Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde
Andorra
26. September 2013
Argentinien
28. April 2017
Belgien
26. November 2013
Botswana
4. Juni 2013
Chile
23. September 2016
Costa Rica
5. Februar 2015
Deutschland
3. Juni 2013
El Salvador
3. März 2016
Estland
27. März 2013
Finnland
30. Dezember 2015
Georgien
5. Dezember 2014
Island
17. Juni 2016
Kroatien
20. Dezember 2013
Lettland
25. September 2014
Liechtenstein
8. Mai 2012
Litauen
7. Dezember 2015
Luxemburg
15. Januar 2013
Malta
30. Januar 2015
Mazedonien
1. März 2016
Niederlande
23. September 2016
Karibische Gebiete (Bonaire, Sint Eustatius und Saba)
23. September 2016
Österreich
17. Juli 2014
Palästina
26. Juni 2016
Polen
25. September 2014
Portugal
11. April 2017
Samoa
25. September 2012
San Marino
14. November 2014
Schweiz
10. September 2015
Slowakei
28. April 2014
Slowenien
25. September 2013
Spanien
25. September 2014
Trinidad und Tobago
13. November 2012
Tschechische Republik
12. März 2015
Uruguay
26. September 2013
Zypern
25. September 2013

1   Übersetzung des englischen Originaltextes. Die deutsche Übersetzung ist mit Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmt worden.

2   Bericht und Antrag der Regierung Nr. 6/2012

3   Anhang II wird im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nicht publiziert. Der Text ist in seinen Originalsprachen zugänglich unter www.icc-cpi.int > Français > Assemblée des Etats Parties > Résolutions > Conférence de révision > RC/Res.6.

4   Anhang III wird im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nicht publiziert. Der Text ist in seinen Originalsprachen zugänglich unter www.icc-cpi.int > Français > Assemblée des Etats Parties > Résolutions > Conférence de révision > RC/Res.6.

5   Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs kann auf der Internetseite der Vereinten Nationen: http://treaties.un.org eingesehen werden.